Donnerstag, 8. November 2007

Experiment eines Busfahres

Tatzeit 18:30, Tatort lokaler Bus

Ich betrete schon etwas abgekämpft ein Gefährt des lokalen Nahverkehrsnetzes und da schallt mir aus der Führerkabine ein aufgestelltes „Guten Abend“ entgegen. Meint der mich? Mich ganz persönlich? Verdutzt schaue ich mich um und da niemand in der näheren Umgebung den Gruss erwidert, gehe ich davon aus, dass dieser tatsächlich für mich gedacht war. Irritiert setze ich mich auf einen freien Sitzplatz und denke darüber nach, was mir der Fahrer wohl sagen wollte! Sollte das heissen: „He, mach nicht so ein Gesicht, Du hast doch schon Feierabend und ich muss noch arbeiten“? Wie auch immer, der Gruss blieb (leider) unerwidert, denn die Freundlichkeit traf mich derart unvorbereitet, dass ich etwa eine Minute brauchte um das ganze zu verarbeiten.

Innerhalb dieser Minute bestiegen weitere, ebenfalls müde aussehende, Mitfahrer den Bus und jedes Mal erklang von vorne ein fröhliches „Grüzi mitenand“. Das ganze fing an Spass zu machen. Die Eintretenden schauten verdutzt und diejenigen, die schon drin sassen – und natürlich einen Wissensvorsprung hatten und die Situation schon verarbeitet hatten – fingen unisono an zu Grinsen, wenn ein neuer Gast das Knöpfchen aussen am Bus bediente. In freudiger Erwartung eines verdutzten Neueinsteigers. Ganz nach dem Motto: Machen sie mal an dummes Gesicht! Danke, das reicht schon!

So ging es noch fünf Minuten weiter und dann fuhr der Bus leider schon los und ich dachte, dass wars jetzt mit der Live-Comedy-Show. Weit gefehlt, denn an der nächsten Bushaltestelle stiegen natürlich einige Passanten ein, die mit bekanntem „Grüezi mitenand“ begrüsst wurden. Es stiegen aber vorher auch Mitfahrer aus – die konnten die viele Freundlichkeit wohl nicht ertragen – und diese wurden mit einem ebenfalls sehr mitfühlenden „Auf Wiedersehen und einen schönen Abend“ verabschiedet.

Dieser Prozess wiederholte sich bei jeder Haltestelle. „Auf Wiedersehen und einen schönen Abend – Grüezi mitenand“. Es war einfach herrlich und es machte sich ohne dass ich mich dagegen wehren konnte ein fettes Grinsen in meinem Gesicht breit.

Und wie ich feststellen konnte, erging dies nicht nur mir so und die Stimmung im Bus wurde mit jeder Haltestelle lockerer. Vereinzelt verabschiedeten sich die Mitfahrer beim Aussteigen sogar mit einem leisen „Danke, gleichfalls“ oder etwas ähnlichem. Rührend, wie sich die bekannten Gesichter, welche sonst wie Stockfische im Sessel sitzen und sich hinter dem wie gewohnt vollkommen uninteressanten und oberlangweiligen „heute“ verstecken, völlig ausflippen und über die Masse aus sich herauskommen. Sie ist absolute Weltklasse, diese Busfahrt. Einfach unvergesslich!

Liebe Forscher in England: untersucht doch lieber für einmal wie wenig es brauchen würde, dass Pendeln nicht unglücklich macht…

Donnerstag, 1. November 2007

iPod macht Pendler glücklich

Tatzeit jederzeit, Tatort überall

Stellt euch ein voll besetztes Zugsabteil oder einen adäquat gefüllten lokalen Bus vor. Wer pendelt braucht hierfür insbesondere in den Wintermonaten nicht allzu viel Fantasie. „Dein“ Abteil ist natürlich voll besetzt und alle Mitpendler benützen wie gewohnt das Zugsabteil als fahrende Telefonzelle.

Dir gegenüber sitzt ein solide aussehender Krawatten-Träger und berät einen guten Freund ausführlich und nicht sehr diskret an einer offenbar nicht allzu luxuriösen Verbindung bezüglich dessen Eheprobleme. Neben Dir telefoniert eine junge Frau mit ihrer besten Freundin und diskutiert lautstark über ihre oder deren exponentielle Gewichtszunahme und der mannigfaltigen Gegenmassnahmen und schräg gegenüber protzt ein Spätpubertärer – also ein Mann Mitte Fünfzig – lauthals bei irgendeinem der sich das offensichtlich antun wollte über die letzten (Sex-)Ferien in der Karibik.

Aus welchen Gründen wildfremde Menschen den Wunsch verspüren an ihren mobilen Fernsprechern an öffentlichen Orten und in Anwesenheit von möglichst vielen Mitmenschen äusserst Intimes zu besprechen, ist mir absolut schleierhaft aber natürlich grundsätzlich nicht dein, sondern deren Problem. Dein Problem ist wohl eher, dass dich niemand danach fragt, ob du diesen Seelenmüll in solch konzentrierter Form überhaupt hören möchtest. Es gibt nämlich nur wenige Möglichkeit sich dieser Sendung „Radio Gaga“ zu entziehen.

Ohne eine Dauerwerbesendung bestellt zu haben wirst Du mit den neuesten Diättipps und den dazu gehörenden, ekligen Details berieselt. Ohne einen Ferienprospekt bestellt zu haben, erfährst Du ungefragt und ohne dass es dich im Geringsten interessieren würde, dass in der Karibik wirklich JEDE und JEDER käuflich ist und ohne den Blick zu lesen, kennst du sämtliche Tricks, wie ein Eheleben wieder die Gewisse Spannung erhält.

Du erhältst also die für dein Leben unter Umständen irgendwann relevante Information, dass durch gezielte Massnahmen – darunter waren natürlich die Dauerbrenner-Tipps wie der Frau schöne Unterwäsche kaufen oder ein Wellness-Weekend ohne die Kinder – das Eheleben wieder aufgepeppt werden und die Katastrophe noch abgewendet werden kann. Sollten sich dazu noch Gewichtsprobleme gesellen, kannst Du dann im Internet gleich nach der Buchung des Wellness-Hotels noch das neueste Wundermittel in Sachen Appetitzügler online bestellen und bezüglich der Karibik-Ferien kannst du deine eigenen Schlüsse aus dem gehörten ziehen. Am naheliegendsten liegt wohl die Schlussfolgerung, dass Alter nicht vor Dummheit schützt und dass es in der Karibik sicher auch die Möglichkeit gibt von Viagra befreite Ferien zu verbringen.

Ich habe nach fünf Minuten genug gehört für heute, krame meinen für solche Situationen angeschafften Lebensretter in Form eines wunderbar glänzenden iPods aus der Tasche. Nach wenigen Sekunden erscheint auf dem Display der zum Spiel bereite Interpret. Ja, los James gib mir deine Sicht auf das Leben, da muss ich nur mithören, wenn ich wirklich will.

Sekunden später entspannen sich die Nackenmuskulatur und die gesträubten Haare und ich bin glücklich. Glücklich, dass Steve Jobs wieder zu Apple zurückgekehrt ist und mir meine Frequenzen frei hält.

Pendeln macht also aus dieser Sicht – nicht wie englische Forscher herausgefunden haben wollen - nur dann unglücklich, wenn man die moderne Technologie nicht zu nutzen weiss.